Montag, 08. Juli 2019

Das war ein perfekter Tag!

Autofahren für Blinde und Sehbehinderte in Bitburg

„Einzigartig – megageil – absolut unvergesslich - voll die coole Aktion!“ Mit diesen Worten beschreiben die Jugendlichen aus dem Internat der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte Neuwied das Treffen mit Fahrlehrer Daniel Reinemann und Team auf dem alten Militärflughafen in Bitburg.

0708 18 dicke autos coole typendicke Autos, coole Typen!

 

Einmal selbst ein Auto fahren zu dürfen, spüren wie es sich anfühlt, eigenständig Gas zu geben und ein Fahrzeug zu lenken, das ist ein Wunsch, den alle der teilnehmenden Jugendlichen haben. Viele von ihnen sind jedoch so stark sehbeeinträchtigt, dass dies im realen Alltagsleben nicht möglich sein wird. Und doch ist es ein Thema, was zum Erwachsenwerden unwiderruflich dazu gehört. In der Peer-Group wird häufig darüber gesprochen, viele Freunde oder Geschwister der sehgeschädigten Jugendlichen besuchen derzeit eine Fahrschule und im Freundeskreis wird man schnell zum Außenseiter, weil man eben nicht mitreden kann. Aber das ist seit Kurzem anders…

 

Dank des tollen Einsatzes der Fahrschule Reinemann bekamen die Jugendlichen die Möglichkeit geboten, trotz ihrer Seheinschränkung das Autofahren auszuprobieren.

0708 5 luca und fahrlehrer markus strahlen um die wetteLuca und Fahrlehrer Markus strahlen um die Wette.

 

Rückblickend hat unsere Jugendlichen besonders das Vertrauen, welches die Fahrlehrer ihnen entgegengebracht haben, beeindruckt. So sagt Philipp: „Ich selbst hätte mir nie so ein Auto anvertraut, aber die Fahrlehrer waren so gelassen und ruhig. Das hat mir dann auch wieder Sicherheit gegeben. Einmal durfte ich sogar richtig schnell fahren. Das war schon toll, wie die mit uns umgegangen sind. Da hat man gar nicht gemerkt, dass die eigentlich im Alltag gar nichts mit blinden Menschen zu tun haben.“

Das bestätigen auch die beiden vollblinden Jugendlichen Selina und Erik. „Daniel hatte so viel Geduld mit mir“, so sagt Erik. „Ich musste ja erst mal ertasten, wo der Zündschlüssel ist oder die Bremse. Das hat er mir aber alles so genau erklärt, dass ich mich gut zurechtgefunden habe.“ Beim Fahren ersetzten die Fahrlehrer den beiden vollblinden Jugendlichen die Augen. Durch konkrete Beschreibungen der Örtlichkeiten und klare Anweisungen der Fahrlehrer, in welche Richtung gelenkt werden muss, war es ihnen möglich eigenständig zu fahren. Selina erzählt, dass dies für sie eine ganz neue Erfahrung war, von der sie nicht geglaubt hätte, es sei irgendwann einmal möglich!

0708 23 megaaaaaEinmal selbst Auto zu fahren ist ein Mega - Erlebnis, sagt Fares!

 

0708 6 erik findet es ganz schoen luftigGanz schön luftig! Erik genießt es, sich im Mercedes den Wind um die Nase wehen zu lassen!

 

Der 17- jährige Erkan berichtet, es habe ihn schon immer interessiert Auto zu fahren. Als kleines Kind sei er schon fasziniert davon gewesen. Er sagt, selbst Auto zu fahren, stand schon immer auf seiner persönlichen To-do-Liste, er habe aber nie daran geglaubt hat, dass ihm das jemand ermöglicht.

 

Runde um Runde drehen die Jugendlichen auf dem Flughafenareal. Unermüdlich erklären alle Fahrlehrer ein ums andere Mal aufs Neue das Wechselspiel zwischen Gas, Kupplung und Bremse. Zusehends mutiger werden die Schüler und die Fahrschulautos sausen schneller und schneller übers Gelände. Mikel berichtet, dass ihm das besondere Freude gemacht hat. Er erzählt: „Einmal hat der Fahrlehrer mich ermutigt Gas zu geben. Ich durfte kontrolliert schnell fahren. Ich glaube, da bin ich fast 100 Stundenkilometer gefahren. Das war hammergeil!“

0708 22 ellenbogen aus dem fenster wie ein Ellenbogen aus dem Fenster, im Auto sitzt er wie ein …

 

0708 1 lisa einmal vollgas bitteLisa, einmal Vollgas, bitte!

 

Erkan hat es beeindruckt, wie es Daniel Reinemann gelungen ist, nicht nur die Möglichkeit zu bieten, selbst das Autofahren auszuprobieren, sondern daneben auch noch jede Menge „besonderer Fahrzeuge“ zu präsentieren. Fahrzeuge, so sagt er, die man im Alltag nicht immer sieht.

Mikel haben diese Fahrzeuge alle gefallen: „Der Lotus – der Hummer – das Motorradgespann – der Porsche… So wie der Hummer fährt“, so sagt er, „fährt kein anderes Auto! Da drin zu sitzen, das Geschepper zu hören, das zu erleben, ist was anderes als jedes Video!“

Auch Luca berichtet begeistert: „Der Hummer war durch seine Größe, durch seine Struktur und die besondere Form beeindruckend. Man sitzt ja so hoch, quasi mitten in der Luft! Es war echt cool, dass man mit dem Hummer quer durch das Gelände gefahren wurde. Da gab es einen kleinen Berg, der fast schon senkrecht war. Den sind wir hochgefahren. Für einen Moment sah man nur noch den Himmel über sich! Das war echt ‘ne coole Sache und der Besitzer Jean-Claude, der war genauso cool wie sein Auto!“

0708 8 hummer geiler autofahren geht nichtHummer – geiler Autofahren geht nicht!

 

0708 9 hoch die haende wochenendeHoch die Hände, Wochenende!

 

Fynn erzählt von seinem lang gehegten Wusch, in einem Auto wie dem Lotus mitzufahren. Erik beschreibt das Gefühl, im Lotus zu sitzen wie folgt: „Man saß total tief darin, fast mit dem Hintern auf der Straße. Ich fand es faszinierend, den Heckantrieb dieses Fahrzeugs zu spüren. Man hat beim Beschleunigen die Geschwindigkeit genau gemerkt. Und dann war da noch die Akustik! Man hat den Motor so richtig geil gehört und den Wind hat man im Gesicht gespürt! Das war echt nice!“

0708 16 im lotus ist die kurvenlage genialLotus fahren, nach dem Motto: wer bremst verliert!

 

Die Begeisterung der Jugendlichen war deutlich spürbar. Anna hat es mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „Man hat da einfach was gemacht, was man sonst nie machen kann! Dadurch dass ich nichts sehen kann, werde ich nie Auto fahren. Das war so emotional für mich! Äußerlich habe ich gelacht, aber innerlich vor Freude geweint.“

 

Das Fazit des Tages ist ganz klar: Es war ein perfekter Tag!

 

Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle noch einmal an die Fahrschule Daniel Reinemann und sein Team, an alle Autofahrer und Motorradfahrer, die ihre Fahrzeuge zur Verfügung gestellt haben und unermüdlich und mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Humor Kilometer um Kilometer mit den Jugendlichen gefahren sind!

 

Sonja Etteldorf

Erzieherin, Gruppenleitung Internat Haus 4 oben